Design im Angesicht der Berge
Immer mehr Menschen leben in Städten – in einer von Gestaltung geprägten Welt. Ausgangspunkt des menschlichen Daseins ist die Natur. Wenn wir in der Natur sind, nehmen wir anders war. Dort verändert sich unser Blick auf Gestaltung.
Unser Anspruch an Design im Angesicht der Berge ist elementarer, einfacher und funktionaler. Eine natürliche Umgebung stellt unsere gewohnte Auffassung, Einstellung und unser Handeln automatisch in Frage. Das Animalische und unsere grundlegenden Bedürfnisse rücken wieder mehr in den Vordergrund. Unsere Instinkte werden geweckt und Bedürfnisse anders erfahren.
Die meisten von uns kennen gar keine unberührte Natur mehr – eine Natur ohne Spuren oder Einwirkungen der Menschheit. Wir sind es gewohnt, uns auf bestehenden Wegen zur und durch Natur zu bewegen. Ausgangspunkt jeder Wanderung ist Zivilisation. Es bedarf immer mehr Aufwand, diese hinter sich zu lassen.
Unsere Naturwahrnehmung ist nicht mehr rein. Wir lauschen dem Rauschen des Wasserlaufs und in der Ferne hören wir Motorengeräusch. Wir schauen tags in den Himmel und sehen Kondensstreifen. Wir wandern und stoßen selbst an den entlegensten Stellen auf Müll. Menschliche Artefakten mischen sich in unsere Wahrnehmung und bekräftigen: wir sind nicht allein. Wir haben es durch eine Anhäufung von Dingen geschafft, was keiner Spezies vorher gelungen ist: die permanente Referentialität von einem Menschen auf den anderen, von einer Spur auf die nächste.
Diese Anhäufung von Artefakten ist außerordentlich, im technischen und soziokulturellen Sinne eine Höchstleistung. Es stellt sich nur die Frage: Wozu das Ganze in diesen Mengen?
Eine leicht provokante These könnte lauten, dass der Mensch die Vielfalt und Größe der Natur nicht ertragen kann und daher versucht, durch Schaffung von Artefakten dem etwas entgegenzusetzen, um stets die Wirkung des Menschen sichtbar zu machen und seine Anwesenheit zu manifestieren, auf dass er im steten Bezug zur Allgemeinheit keine Einsamkeit und Angst mehr verspürt.
Der Überfluss beginnt mit der Sesshaftigkeit. Solange wir in Bewegung bleiben und Dinge mit uns nehmen, beschränken wir uns von selbst, weil Dinge, im wahrsten Sinne des Wortes, schnell zur Last werden. Die Kapazität der Bewältigung hat natürliche Grenzen.
Was können wir mit bloßen Händen tragen? Nicht viel. Und beide Hände sind beim Tragen belegt. Als Abhilfe schaffen wir Tragehilfen und Behältnisse. Aber unsere Kraft ist begrenzt. Wir brauchen Unterstützung. Wir gestalten entsprechend. Der Aufwand wächst mit der Anzahl der Dinge, die wir mit uns führen.
Sesshaftigkeit macht es einfacher. Es gibt einen festen Ort, an dem das Geschaffene und Gesammelte gehortet werden kann. Die Behausung wird auch zur Umhausung – ein Container nicht nur für uns sondern auch für Dinge, die uns gehören. Ein Paradies für die Addition. Das und das und das noch. Solange Platz ist, gibt es scheinbar keine Beschränkung.
Zu guter Letzt müssen wir nicht mehr auf die Jagd gehen, um zu überleben. Wir sind auch nicht mehr so erschöpft. Wir haben viel Zeit. Die können wir nutzen, um zu sammeln (wir nennen es Shopping) oder zu jagen (wir nennen es Einkaufen). Die heutige Nahrung der Jäger und Sammler sind daher nicht mehr Tiere und Früchte sondern Produkte und Bilder.
Denn wir sind satt. Pappsatt. Wir haben keinen Hunger. Wir haben Müsli-Riegel.